Skalierbare Psychologische Programme (Stufenweise Versorgung)

Angesichts der erwarteten Zunahme psychischer Probleme aufgrund der Pandemie müssen diesbezüglich zu treffende Maßnahmen in großem Maßstab anwendbar und geeignet sein, den Bedürfnissen vieler Menschen so zu entsprechen, dass die verfügbaren Mittel optimal genutzt werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine Reihe von großflächig einsetzbaren psychologischen Maßnahmen für Bevölkerungsgruppen entwickelt, die von stressvollen Lebensereignissen betroffen sind.

Allen skalierbaren WHO-Maßnahmen ist gemein, dass sie auf dem Prinzip der Delegierung beruhen, das heißt, dass sie von nicht professionellen Helfern, etwa von geschulten Kollegen oder Assistenten im Unternehmen oder einem psychosozialen Betreuer, erlernt und angewendet werden können. Darüber hinaus sind sie breit ausgelegt, um damit eine große Vielfalt psychischer Probleme (Depression, Angstgefühle und PTSD) anpacken zu können, und leicht für verschiedene Bevölkerungsgruppen, Kulturen und Sprachen adaptierbar. Schließlich sind die Maßnahmen und das dafür erstellte Implementierungsmaterial zugangsoffen gestaltet worden.

Für RESPOND werden zwei evidenzbasierte psychologische Maßnahmen angewendet:

Doing What Matters in Times of Stress (DWM)

DWM ist ein illustrierter Selbsthife-Leitfaden für die Stressbewältigung, der Bestandteil von Self-Help Plus (SH+) ist, einem WHO-Gruppenkurs für Stressbewältigung. Die DWM-Broschüre kann als betreute Selbsthilfemaßnahme mit Unterstützung durch eine eingewiesene, nicht spezialisierte Betreuungskraft bereitgestellt werden. Grundlage ist die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT), eine moderne Form der kognitiven Verhaltenstherapie mit einer starken Fokussierung auf Achtsamkeitsübungen; sie umfasst Aufgaben zur Verbesserung von Stressabbau und Unterstützung durch das soziale Umfeld, Anpassungsfähigkeit und Resilienz und wurde bei einer Reihe von Flüchtlingsgruppen in Europa, der Türkei und Norduganda mit Erfolg implementiert.

Problem Management Plus (PM+)

PM+ ist ein fünf Arbeitssitzungen umfassendes, für verschiedene Störungen geeignetes Programm, das Symptomen von Depression, Angstgefühlen, PTSD und verwandten Leiden entgegenwirkt; es wird von geschulten, nicht spezialisierten Kräften oder Laien angewendet und ist als Präsenztherapie sowohl für Einzelpersonen als auch für Gruppen verfügbar. Es umfasst die folgenden evidenzbasierten Techniken: (a) Problemlösung, (b) Stressbewältigung, (c) Verhaltensaktivierung und (d) Zugang zu sozialer Unterstützung. PM+ wurde in Kenia und Pakistan mit Erfolg implementiert.

Wirken die Programme?

Die Programme greifen auf bekannte und evidenzbasierte Strategien zurück: Förderung der Problemlösungskompetenz in Kombination mit ausgewählten kognitiven Verhaltenstherapien (PM+) und Achtsamkeitsübungen (DWM). Durch die kombinierte Anwendung dieser Techniken wirken die Programme sowohl auf psychologischer Ebene (zum Beispiel Stress, Angst, Gefühle der Hilflosigkeit) als auch, wo möglich, auf der Ebene praktischer Probleme (zum Beispiel Existenzsorgen, Familienkonflikte und so weiter).

Alle Module wurden von Wissenschaftlern unter realen Bedingungen gründlich getestet, um sicherzustellen, dass sie funktionieren und sicher sind.

Das RESPOND-Projekt geht einen Schritt weiter, indem DWM und PM+ in einem einzigen Programm zur stufenweisen Versorgung kombiniert werden und die Effektivität bei der Anwendung auf von der COVID-19-Pandemie betroffene Hochrisikogruppen beurteilt wird.

DWM und PM+ sind „skalierbare“ Maßnahmen. Was bedeutet das, und weshalb wendet man skalierbare Maßnahmen an?

Maßnahmen können als skalierbar bezeichnet werden, wenn man damit eine größere Zahl von Menschen zu niedrigeren Kosten erreichen kann. Weltweit betrachtet hat die überwiegende Zahl der Personen, die irgendwann einmal unter einer Geistesstörung leiden, keinen Zugang zu einer evidenzbasierten Therapie. Durch skalierbare psychologische Maßnahmen soll diese Versorgungslücke reduziert werden. Skalierbare psychologische Maßnahmen haben einige wesentliche Merkmale gemein: Sie sind evidenzbasiert, von relativ kurzer Dauer, können von nicht spezialisierten Kräften angewendet werden, sind in puncto Kultur und Kontext adaptierbar, erschwinglich, in unterschiedlichen Umfeldern durchführbar, machen eventuell Gebrauch von moderner Technik (zum Beispiel bei der Selbsthilfe mittels Online-Angeboten oder Voraufzeichnung) und kostengünstig.

Was spricht für eine stufenweise Versorgung?

Bei der stufenweisen Versorgung handelt es sich um das Prinzip, Versorgungsleistungen auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit Schritt für Schritt zu erbringen. Dabei wird zunächst die wirksamste und zugleich mit dem geringsten Aufwand verbundene Methode angeboten, bevor eine „Hochstufung“ – und dies nur, wenn dies aus klinischer Sicht geboten ist – auf intensivere Behandlungsformen erfolgt. Modelle für die stufenweise Versorgung sind evidenzbasiert und erwiesenermaßen kostengünstige Alternativen zu herkömmlichen Behandlungen für psychische Probleme.

Im RESPOND-Projekt werden skalierbare psychologische Maßnahmen zu einer Gesamtbehandlung für die stufenweise Versorgung zusammengefasst. Die Personen durchlaufen zuerst die DWM-Maßnahme, die aus betreuter Selbsthilfe in Form des Leitfadens für Stressbewältigung und kurzer motivierender Betreuung durch eine geschulte Betreuungskraft besteht. Wer danach zusätzliche Hilfe benötigt, kann die zweite Stufe (PM+) durchlaufen, in der sich eine geschulte Betreuungskraft eingehend mit dem Fall befasst, um Bewältigungsstrategien zu stärken, die genau auf die spezifischen Probleme der Person zugeschnitten sind, unter anderem Verhaltensaktivierung, Problemlösung und soziale Unterstützung, aber auch die Stärkung von in der DWM-Therapie erlernten Entspannungstechniken.

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